Der Mugello ist bequem mit dem Zug über eine Strecke erreichbar, die als erste den italienischen Apennin durchquerte: die Faentina-Bahn. Sie verbindet Florenz mit Faenza (und anschließend Ravenna) und führt durch die Gebirgszonen des Apennin zwischen Toskana und Emilia-Romagna vorbei an einigen sehenswerten Städten. Die Zuglinie wird auch Dante-Bahn genannt, da sie Florenz, die Geburtsstadt des Dichters, mit Ravenna verbindet, wo sich sein Grabmal befindet.
Dia Bahnlinie wurde am 23. April 1893 eingeweiht. Auf der 101 km langen Strecke liegen 30 Tunnel, 55 Brücken, 18 Überführungen und 15 Zwischenstationen. Die Faentina-Bahn erreicht eine Höhe von 578 m ü.d.M. und bietet entlang der Strecke eine Reihe atemberaubender Panoramen.
Die Regionalzüge nach Borgo San Lorenzo fahren normalerweise von Gleis 17 am äußersten Ende des Bahnhofs Santa Maria Novella ab. Dabei sollte man darauf achten, dass der Zug in Richtung Faenza nicht über Pontassieve führt, da diese Streckenvariante länger ist. Die Zugfahrt bis Borgo San Lorenzo dauert ca. 40 Minuten. Hier begeben wir uns sogleich zu Fuß in die Piazza Garibaldi, die einen hervorragenden Ausgangspunkt für unsere Tour durch die „Stadt der Keramik“ im Mugello bildet.
Unbedingt sehenswert ist die romanische Kirche San Lorenzo, die auf das Jahr 941 zurückgeht. Sie enthält eine wunderschöne Madonna mit Kind, die Giotto zugeschrieben wird, sowie in der Apsis Fresken von Galileo Chini. Von Dino Chini, einem weiteren Mitglied der berühmten Familie Chini und einem der wichtigsten Vertreter des italienischen Jugendstils, stammen hingegen die Dekorationen im mittelalterlichen Palazzo del Podestà.
Dino Chini hat auch den Uhrenturm renoviert, ein symbolisches Bauwerk von Borgo San Lorenzo, das ursprünglich im Jahre 1351 errichtet wurde. An der Hauptstraße Corso Matteotti liegen zahlreiche Geschäfte und Cafés. Vom Uhrenturm biegen wir in die Via San Martino ab, um einen Teil der originalen mittelalterlichen Stadtmauer zu bewundern. Am Ende der Straße befindet sich das Stadttor Porta Fiorentina aus dem 14. Jahrhundert, das in Richtung Florenz führte.
Nach der Besichtigung der Altstadt begeben wir uns zur Villa Pecori Giraldi, in der das Chini-Museum untergebracht ist. Es ist der Geschichte der Familie Chini und ihren einzigartigen Kunstwerken aus Keramik gewidmet. Der wichtigste Vertreter der Familie war Galileo Chini (1873-1956), ein bedeutender Künstler des italienischen Jugendstils, der nicht nur in Florenz und Umgebung tätig war, sondern auch vom König von Siam mit der Ausmalung des Thronsaals im Königspalast beauftragt wurde.
Erwähnenswert ist außerdem die Statue des Hundes Fido auf der Piazza Dante neben dem Rathaus, der auch als italienischer Hachiko berühmt wurde. Sie erinnert an die treue Verbundenheit zwischen einem Hund und seinem Besitzer, der bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg ums Leben kam.
Den zweiten Tag verbringen wir in Marradi, das ebenfalls mit dem Zug erreichbar ist. Hier sollte man unbedingt die Konditorei „Pasticceria Aurelio“ aufsuchen, die für ihre „Torta in balconata“ bekannt ist. Dabei handelt es sich um eine einzigartige Torte, deren Rezept auf die Festbankette der Renaissance zurückgeht.
In ca. 30 Minuten erreicht man Marradi, eine unbekannte Perle der toskanischen Romagna. In diesem „Grenzgebiet“ gehören die Bewohner zwar noch der Toskana an, sprechen aber bereits den Dialekt der Romagna, während die Küche eine ausgewogene Mischung beider Traditionen darstellt. Eine weitere Besonderheit dieser mitten im Apennin gelegenen Ortschaft besteht darin, dass es im 16. Jahrhundert Adelsfamilien im Exil aus Mailand, Florenz und anderen norditalienischen Städten als Zufluchtsort diente, die hier schöne Palazzi erbauten.
Kurz verweilen sollte man am Geburtshaus des italienischen Dichters Dino Campana, an dem zwei große Gedenkschilder angebracht sind. Der als „italienischer Rimbaud“ bekannte Poet unterhielt Anfang des 20. Jahrhunderts eine leidenschaftliche, aber unglückliche Liebesbeziehung zu der florentinischen Dichterin Sibilla Aleramo. Dino Campana war mit Marradi eng verbunden: dank der Spenden von 44 Einwohnern Marradis konnte sein erstes (und einziges) Werk „Canti Orfici“ [Orphische Gesänge] gedruckt werden. Im Centro Studi Campaniani ist auch ein kleines Museum zum Leben und Werk dieses visionären Dichters untergebracht.
Anschließend besuchen wird die Kirche San Lorenzo, in der man Meisterwerke des Renaissancemalers Maestro di Marradi bewundern kann. Weitere Werke dieses Schülers von Domenico Ghirlandaio sind unter anderem in der National Gallery in London ausgestellt. Unbedingt sehenswert ist auch Palazzo Torriani: das elegante Gebäude befindet sich seit dem 16. Jahrhundert im Besitz der Familie Torriani und enthält eine herrliche Uhrensammlung, originale Möbel sowie einzigartige Jugendstilwerke von Galileo Chini.
In der mit herrlichen Stuckarbeiten und Dekorationen aus dem 17. Jahrhundert geschmückten Bar Bianco auf der Piazza Scalelle kann man sich köstliche Spezialitäten aus Kastanien schmecken lassen. Nicht weit entfernt liegt die Apotheke „Premiata Farmacia Ciottoli“, deren Schaufenster und Einrichtung heute noch original erhalten ist. Um einen herrlichen Ausblick auf Marradi zu genießen, sollte man sich ins Vicolo della Badia begeben.
Zu guter Letzt darf man sich keinesfalls einen echten Leckerbissen entgehen lassen: die Marron Buono di Marradi ist eine edle Esskastanie, die in der Gemeinde Marradi angebaut wird. Daher findet an den Oktoberwochenenden auch das Kastanienfest von Marradi statt, bei dem sich alles um diese köstliche Frucht dreht, die für die Zubereitung von Torten und Süßspeisen ebenso wie für Nudeln verwendet wird.
Auf der Rückfahrt nach Florenz sollte man Crespino del Lamone einen Besuch abstatten. Die kleine Ortschaft am Fluss Lamone ist für die außerordentliche Qualität ihres Wassers und für ihre zahlreichen Brunnen bekannt. Hier findet man auch viele Wanderwege und Radtouren, während im Sommer die vielen natürlichen Badegelegenheiten der Region Mugello zu einem Sprung ins kühle Nass einladen.
Alternativ zum Zug kann man den Weg von Marradi nach Crespino (ca. 4 Stunden) auch zu Fuß zurücklegen. Sehenswert ist das Denkmal zur Erinnerung an ein Massaker, das am 17. Juli 1944 von den Nationalsozialisten verübt wurde. Auch die Kirche Santa Maria Nascente ist interessant: in ihrem Inneren befindet sich ein großes Fragment eines Flügelaltars des 14. Jahrhunderts von Yacopo del Casentino, das die Madonna auf dem Thron mit Kind und Engeln darstellt. Danach sollte man sich eine Pause im örtlichen Gemeinschaftszentrum „Circolo Arci“ gönnen, einem wichtigen Treffpunkt für die Einheimischen, der vor allem an Wochenenden immer für einen Plausch offensteht.
Diese Tour mit dem Zug ist zu jeder Jahreszeit möglich, es ändern sich lediglich die Farbtöne der Natur, die man vom Fenster aus betrachten kann: vom kräftigen Grün im Frühling und Sommer bis hin zum warmen Orange im Herbst. Der Frühling ist ideal für Ausflüge, im Sommer kann man sich von der Hitze erholen, der Herbst bietet köstliche Spezialitäten aus Kastanien und der Winter erfreut mit herrlichen Schneelandschaften.